Digital Detox

Als Steve Jobs 2007 die Bühne der Macworld Conference & Expo in San Francisco betritt und ein kleines Rechteck vorstellt, welches er das "Iphone" tauft, konnten nur die wenigsten erahnen, welche Kräfte fortan in Bewegung gesetzt werden . Die Anzahl der Smartphone-Nutzer in der Bundesrepublik Deutschland hat sich zwischen 2009 bis 2018 verneunfacht. Die Möglichkeit, überall und jederzeit auf praktische Internetdienste und soziale Netzwerke zugreifen zu können, ist für den Großteil der Bevölkerung zu verlockend. Parallel zum Triumphzug des Smartphones schien auch die Rate an Depressionen bei Kindern und Jugendlichen in den Vereinigten Staaten zu steigen. Einige Stimmen setzen Schlafstörungen, Hyperaktivität und Suchttendenzen mit dem täglichen Gebrauch von Smartphones zusammen. Die Omnipräsenz des Internethandys im Alltag und die enge Verflechtung sozialer Netzwerke mit zwischenmenschlichen Beziehungen machen es für viele unvorstellbar, sich vom Gebrauch eines Smartphones abzuwenden. 

 

Was ist Digital Detox?

An diese Stelle tritt ein Trend, der sich seit Jahren immer höherer Beliebtheit erfreut: Digital Detox. Der Name leitet sich vom englischen Begriff der Entschlackung (Detox) ab, einer Prozedur, welche den Körper von Giftstoffen befreien soll. Detox und andere Bereiche der Alternativmedizin erfreuen sich heute großer Beliebtheit. Sein Digitaler Ableger, genannt "Digital Detox", funktioniert nach ähnlichem Prinzip. Auch hier wird der Körper "entschlackt". Doch handelt es sich bei den Giftstoffen um die Suchterscheinungen digitaler Tools (insbesondere dem Smartphone) und die negativen Auswirkungen dessen auf Körper und Psyche. Der periodische Verzicht auf Smartphones und die permanente Askese im Extremfall soll Abhängigkeit bekämpfen. Es möchte sich wieder auf das realen Leben und "echte" soziale Beziehungen konzentriert werden. Da viele oftmals nicht realisieren, wie essenziell das Handy mittlerweile für alltäglichste Vorgänge ist, bedarf es dabei einer strukturierten Vorgehensweise. 

 

Das Smartphone als Alleskönner 

Eine wichtige Grundlage für Digital Detox stellt die Einsicht dar, dass die so vielfältige Tauglichkeit des Handys ein wichtiger Faktor für die Abhängigkeit darstellt. Das "Phone" im Smartphone ist lange nicht mehr das wichtigste Feature des Geräts, an dessen Stelle treten Internetbrowser, Wecker, Streamingdienste (Filme und Musik), Messengerdienste und natürlich Apps sozialer Netzwerke. Zur Lockerung des engen Verhältnisses zwischen Mensch und Handy ist es von Bedeutung, wichtige Funktionen auszulagern. Statt dem Wecker im Smartphone, wird laut Digital Detox ein separater Wecker ohne anderen Funktionen verwendet. Jeder kennt die Initialreaktion nach dem Ausschalten des Handyweckers: Umgehend soziale Netzwerke aufrufen. Likes, Nachrichten und Kommentare unter geposteten Bildern können dopaminerge Prozesse auslösen, Glückshormone werden ausgeschüttet. Mit einem separaten Wecker kann man dem dazwischengreifen. Gleiches gilt für Funktionen wie die Taschenlampe, der Kamera oder dem Klassiker: dem Telefonieren. Hier kann beispielsweise die Anschaffung eines Klapphandys helfen. Daneben ist die Organisation des Digital Detox entscheidend. Die aktive Entscheidung, die Zeit am Handy zu verringern ist auch immer eine Entscheidung, den Lifestyle zu ändern. Dies kann einen großen Einschnitt ins Leben darstellen, was ein schritthaftes Vorgehen wichtig macht. Man kann beispielsweise klein anfangen und sich zu Beginn des Digital Detox jeden Tag vornehmen, in einem vorher festgelegten Zeitraum auf das Smartphone zu verzichten. Dieser Zeitraum kann sich bei Bedarf langsam steigern und dann zu einem Handyfreien Tag werden. Wie genau die Zeiten des Digital Detox strukturiert werden ist natürlich von Person zu Person verschieden und muss dementsprechend angepasst werden. Digital Detox kann auch beinhalten, gewisse Räume und soziale Events frei vom Handygebrauch zu machen. Freundeskreise können sich zum Beispiel darauf einigen, das Telefon beim wöchentlichen Brunch auszulassen. Wer sich nicht daran halt, zahlt die Rechnung. 

Die Vorteile von Digital Detox

Das stärkste Argument für Digital Detox ist eindeutig die Reduktion von Stress und sozialen Druck, die das Smartphone als neue Säule des gesellschaftlichen Lebens mit sich bringt. Man klinkt sich aus, atmet tief durch und ist nicht mehr einem permanenten Strom von Informationen und Reizen ausgesetzt. Dies kann eine gefühlte Entschleunigung im Alltag bewirken, das Leben verläuft wieder langsamer. Die Benutzung vom Smartphone kann auch eine Form des Eskapismus' sein. Anstatt sich mit wichtigen Dingen im Leben, an denen man wachsen kann, auseinanderzusetzen, flüchtet man lieber in eine künstliche Welt. Nachdem man sich aktiv vom Reiz des Digitalen löst, bleibt nichts anderes, als der Realität konstruktiv zu begegnen. Neben mentalen Gründen wie diesen gibt es auch praktische Gründe, Digital Detox auszuprobieren. Weniger Zeit am Handy gibt mehr Zeit für konstruktivere Dinge, seien es nun Karriere, Hobbies oder auch Zeit mit den Liebsten. Zwar scheint die Zeit am Handy auf den ersten Blick nie wirklich lang, doch findet sie in vielen kleinen Abständen über den Tag hinweg statt. Zusammenaddiert nimmt die digitale Welt mittlerweile einen großen Teil der Lebenszeit vieler in Anspruch. 

Was spricht gegen Digital Detox?

Digital Detox klingt in seiner Theorie nach einfacher Umsetzung und einer Verbesserung der Lebensqualität. Denn was ist schon einfacher als etwas einfach nicht zu machen? Jedoch kann das Digital Detox im realen Leben vieler einfach ein Ding der Unmöglichkeit sein. Karriere und Internetnutzung, sogar Karriere und soziale Netzwerke, sind häufig zu tief miteinander verflechtet. Man muss zwingend Social Media Manager sein, damit das Mantra namens Digital Detox schwer im Alltag umsetzbar wird. Beispielsweise kommt kein Studiengang kommt ohne Whatsapp-Gruppen, die das traditionelle schwarze Brett in seiner Funktion ersetzen. Außerdem gibt es einen guten Grund für die intensive Nutzung des Handys: Es ist einfach unglaublich praktisch. Kaum einer hat noch Lust, einen separaten Wecker, eine Taschenlampe, einen MP3-Player (wenn solche noch hergestellt werden) und ein Notizbuch zur selben Zeit mit sich herumzuschleppen. Die digitale Welt ist das Schweizer Taschenmesser des Informationszeitalters und mit Technologien wie das 5g-Netzwerk in den Startlöchern, wird die Relevanz der Digitalisierung bis auf Weiteres auch nicht abklingen. 

Fazit zu Digital Detox

Was kann abschließend zum Phänomen "Digital Detox" gesagt werden? Genauso wie die "echte" Detox-Prozedur in der Wissenschaft auf kontroverse Reaktionen stößt, kann auch Digital Detox je nach Lebenssituation die Gemüter spalten. Bleibt zu sagen: Wer es sich leisten kann, probiert Digital Detox einfach mal aus.